Andacht Heute

Die sprachliche Form der Gedanken

Der HERR ist mein Hirte;
mir wird nichts mangeln.

Psalm 23,1

Der wohlbekannte Vers ist vom Inhalt her schon oft beleuchtet worden. Heute soll der sprachliche Ausdruck im Vordergrund stehen. Wir haben es hier beispielhaft mit dem Gedankenparallelismus (lateinisch: Parallelismus membrorum) zu tun. Es handelt sich um ein zentrales Stilmittel der hebräischen Poesie, das besonders in den Psalmen, Propheten und den Weisheitstexten vorkommt. Zwei Zeilen (oder mehr) stehen dabei in einem bestimmten Verhältnis zueinander und entfalten gemeinsam einen Gedanken. Dieser wird entweder ergänzt wie im obigen Vers oder kontrastiert wie in:

Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten,
aber der Weg der Gottlosen vergeht.

Psalm 1,6

Einmal wird also der Gedanke verdoppelt und verstärkt. Beim Kontrastpaar wird die Aussage verschärft, so wie bei Licht und Schatten. Es gibt auch noch die Steigerung der Gedankenfolge. Dabei wächst der Gedanke wie auf einer Treppenstufe zur nächsten:

Opfere Gott Dank
und erfülle dem Höchsten deine Gelübde.

Psalm 50,14

In allen Fällen des Gedankenparallelismus wird diese Stilfigur bewusst eingesetzt, um den Leser zum Nachdenken zu bringen. Sie dient nicht zur schnellen Information wie in einem Bericht, sondern zur geistlichen Vertiefung. Die in Beziehung stehenden Zeilen eröffnen einen Raum für Interpretation. Sie beleuchten ein Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. In ihr kommt eine Denkweise zum Ausdruck, die Beziehung, Spannung oder eine Stellungnahme beinhaltet. Da ich meine täglichen Andachten immer in den Morgenstunden schreibe, könnte ich zu folgenden Parallelismus kommen:

„Gott ist mein Halt in der frühen Stunde,
mein Trost, wenn der Abend sich neigt.“

Der Ausweg aus der Sinnkrise

Stolz behaupten sie: »Gott kümmert sich sowieso nicht um das, was wir tun! Es gibt ja gar keinen Gott!« Weiter reichen ihre Gedanken nicht.
Psalm 10,4

Der Psalmist beklagt sich über die Gottlosen. Sie verfolgen die Schwachen und prahlen mit ihrer Macht.
Sie handeln, als gäbe es keinen Gott, und rufen: „Es gibt keinen Gott!“ Sie sind erfolgreich, arrogant und ungestraft – ein Bild skrupelloser Selbstherrlichkeit. Das galt damals, und es gilt noch mehr in unseren Zeiten. Die Menschen wenden sich immer mehr ab von Gott. Laut Umfragen glauben nur noch 38 % der Deutschen stark oder ziemlich stark an Gott – vor zehn Jahren waren es noch 50 %. Das tägliche Gebet sank von 23 % auf 17 %. 43 % beten nie. Das bleibt nicht ohne Folgen: Viele Menschen empfinden ihr Leben als fragmentiert und orientierungslos. Besonders in jüngeren Milieus fehlt oft ein tragendes Weltbild. Die Suche nach Sinn verlagert sich auf Selbstverwirklichung, Konsum oder digitale Identitäten, bleibt aber oft unbefriedigt.

Man kann feststellen: Die Abkehr vom Glauben an Gott hat die Menschen in diesem Land nicht glücklicher und zufriedener gemacht. Nur noch 38 % der Befragten sagen, sie hätten ein klares Lebensziel. Mehr als 50 % geben an, dass sie sich „manchmal oder oft leer“ fühlen. Der Sinnverlust ist kein bloßes intellektuelles Problem, sondern eine geistliche Notlage. Menschen hungern nach Bedeutung, nach Zugehörigkeit und nach einem „Warum“, das über das eigene Ich hinausweist. Und genau hier bietet der Glaube an den einzigen wahren Gott und die Gemeinschaft mit IHM den Ausweg aus aller Not.

„Du zeigst mir den Weg zum Leben. In deiner Nähe ist Freude in Fülle.“
Psalm 16,11

Aus Hiob lernen

Herr, ich erkenne, dass du alles zu tun vermagst; nichts und niemand kann deinen Plan vereiteln. Du hast gefragt: ‚Wer bist du, dass du meine Weisheit anzweifelst mit Worten ohne Verstand?‘ Ja, es ist wahr: Ich habe von Dingen geredet, die ich nicht begreife, sie sind zu hoch für mich und übersteigen meinen Verstand.
Hiob 42,2-3

Manche Bibelkommentatoren behaupten, Hiob habe kein Problem mit seinem Glauben gehabt. Die Geschichte zeige, dass der Mensch mit Gott hadern darf, dass er fragen und sich gegen sein Schicksal auflehnen darf. Hiob war doch ein ehrenwerter, vorbildlicher Mann. Ist es nicht nachvollziehbar, dass er eine große Klage über sein Unglück angestimmt hat, das ihn getroffen hat? Er fühlte sich als Opfer von Gottes Willkür und war sich keiner Schuld bewusst. Zudem konnte er nicht verstehen, weshalb die Gottlosen scheinbar straflos blieben.

Wir können mit Hiob mitfühlen. Aber wir verstehen ihn dann nur aus menschlicher Sicht und machen damit den gleichen Fehler wie er selbst. Begreifen wir doch: Mit seinen Reden hat sich Hiob Gott gegenüber aufgelehnt. Er verfluchte den Tag seiner eigenen Geburt – ein Ausdruck tiefster Verzweiflung, aber auch ein Misstrauen an der Schöpfungsordnung Gottes (Hiob 3). Zwar zweifelte er nicht an Gottes Existenz, aber an dessen Transparenz und Gerechtigkeit. Damit stellte er die Weltordnung Gottes infrage. Wie hat Gott auf diese Anmaßung Hiobs reagiert? ER verteidigte sein Verhalten nicht, sondern demonstrierte ihm seine Schöpfungsmacht und Weisheit, und er stellte Hiob die Frage: „Wer bist du, dass du meine Weisheit anzweifelst mit Worten ohne Verstand?“ Hiob lernte daraufhin, dass er Gott niemals herausfordern darf. Denn unser allmächtiger HERR ist zu allem fähig. Er muss sich vor seinen Geschöpfen für nichts rechtfertigen. Am Ende bleibt die Frage: Lernen auch wir aus dieser Geschichte? Wenn wir uns allein auf unseren beschränkten Verstand verlassen, wird das nicht gelingen. Wir müssen die Nähe zu Gott suchen und die Perspektive wechseln.