Andacht Heute

Trugbild Mensch

Die Menschen vergehen wie ein Hauch; ob einfach oder vornehm – sie sind wie ein Trugbild, das verschwindet. Legt man sie auf die Waagschale, dann schnellt sie nach oben, als wären die Menschen nur Luft.
Psalm 62,10

In diesem Psalm kommt David zu einer ernüchternden Einschätzung der Menschen. Selbst die Mächtigen dieser Erde haben im Vergleich zu Gott kein Gewicht. Sie sind leichter und vergänglicher als ein Hauch. In den Versen zuvor beklagt er, dass man sich auf das Wort der Menschen nicht verlassen kann. Sie können einem schmeicheln, in ihren Herzen verfluchen sie einen jedoch.

Der gesamte Psalm ist als Einladung zur Demut zu verstehen. Ohne Gott ist der Mensch ein Nichts, auch wenn er sich selbst erhöht und vor anderen groß tut. Unsere Kraft ist begrenzt, unsere Zeit ist vergänglich. Von Menschen werden wir immer wieder enttäuscht werden, weshalb es so wichtig ist, dass wir ganz auf Gott vertrauen. Er ist der Allmächtige, niemand sonst. Menschen werden immer versuchen, uns zu manipulieren und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Wir sind aber nur Gott Rechenschaft schuldig. Er allein ist gerecht und barmherzig. Welch ein Trost!

Eines hat Gott betont, und mehrmals habe ich es vernommen: Alle Macht liegt allein in Gottes Händen – ja, Herr, und auch die Gnade kommt von dir! Du gibst jedem das, was er für sein Tun verdient.
Psalm 62,12-13

Wir haben die freie Entscheidung

Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du den Blick frei erheben. Wenn du jedoch Böses vorhast, dann lauert die Sünde schon vor deiner Tür und will dich haben. Du aber sollst sie beherrschen!
1. Mose 4,7

Kurz bevor Kain seinen Bruder Abel ermordet, spricht Gott zu ihm. Doch auch durch diese Worte ließ er sich nicht von seinem bösen Vorhaben abbringen. Dabei hatte Gott ihm so sehr nahegelegt, sich für das Gute zu entscheiden. Es war ein klarer Aufruf zur Selbstkontrolle und zu moralischer Verantwortung.

An dieser frühen Stelle in der Bibel zeigt sich, dass der Mensch einen freien Willen hat. Wir sind nicht gezwungen, der Sünde nachzugeben. Sie lässt sich beherrschen. Wir können uns bewusst für das Gute entscheiden. Der Mensch ist fähig, über seine Triebe und Versuchungen zu herrschen. Entscheiden wir uns für das Gute, brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben und können „den Blick frei erheben”. Durch den Gehorsam gegenüber Gott erlangen wir die Herrschaft über die Sünde.

Gedanken über unser „Gerede“

Mit unserer Zunge loben wir Gott, unseren Herrn und Vater, und mit derselben Zunge verfluchen wir unsere Mitmenschen, die doch nach Gottes Ebenbild geschaffen sind. Segen und Fluch kommen aus ein und demselben Mund.
Jakobus 3,9-10

Ich frage mich manchmal, wie es sein kann, dass ich Andachten wie diese verfasse, in denen es mir um die Umsetzung des Willen Gottes geht, und ich es im Gespräch mit anderen Menschen oft nicht ganz lassen kann, mich in Smalltalk, in Oberflächlichkeiten und sogar in manchen Klatsch und Tratsch zu verlieren. Der Philosoph Martin Heidegger hat sich in seinem Hauptwerk „Sein und Zeit” kritisch mit dem alltäglichen Dasein des Menschen auseinandergesetzt. Der vorherrschende Form der Kommunikation, die er „Gerede” nennt, hat er ein eigenes Kapitel gewidmet. Durch dieses Gerede wird lediglich wiederholt, was „man so sagt”, indem in Floskeln gesprochen wird. Es wird nicht der Versuch unternommen, sich die Welt durch echtes Hören und Fragen zu erschließen.

Wir könnten uns fragen, ob wir in unserem Glaubensleben nicht auch oft Phrasen benutzen wie „Der Mensch denkt, Gott lenkt”. Wenn wir mit anderen über unseren Glauben sprechen, werden wir nicht umhin kommen, manche christliche Floskel zu verwenden. Wir dürfen jedoch nicht in der Routine des Geredes über Gott verharren, sondern sollten wenigstens versuchen, aus gelebter Erfahrung und echter Neugier zu sprechen. Gehen wir also tieferen Fragen nicht aus dem Weg. Lassen wir uns wirklich berühren von dem, was vor uns liegt. Gehen wir nicht in die Zerstreuung, sondern konzentrieren wir uns auf die Zwiesprache mit Gott im Gebet.

Der Leser, der mir bis hierhin gefolgt ist, mag auch in meinen Worten manche Phrase entdecken. Er möge es mir verzeihen und dabei an den obigen Vers denken: „Fluch und Segen kommen aus ein und demselben Mund.“