Andacht Heute

Verheißung damals, Zuspruch heute

Habt keine Angst, denn ich, der Herr, bin bei euch! Wohin ihr auch vertrieben wurdet – ich werde euer Volk wieder sammeln. Vom Osten und vom Westen hole ich euch zurück.
Jesaja 43,5

In christlichen Diskussionsrunden stellt sich bei der Auslegung von Texten der Bibel – besonders des Alten Testaments – nicht selten die Frage, ob sie einen rein historischen Bezug haben oder für alle Christen gelten. Jesaja 40–55 ist beispielsweise eindeutig an das Volk Israel im Exil gerichtet. Gott spricht zu Jakob. Es geht um die Heimführung aus der Zerstreuung, um eine Zusage als Teil des Bundes mit Israel. In diesem Vers geht es also, wenn man ihn historisch und allein betrachtet, nicht um „die Christenheit“, sondern nur um Gottes Volk.

Im Neuen Testament weitet sich Gottes Heilswirken jedoch auf alle Menschen aus. Wir sind „Kinder Gottes” (Johannes 1,12), „Erben der Verheißung” (Galater 3,29) und die Zusage „Ich bin mit dir” (Matthäus 28,20) wird allen Christen zugesprochen. Wir sehen also, dass der Vers jedem Menschen gilt, der Gott vertraut. Denn Gott ist gegenwärtig, befreit, führt heim und nimmt sich unserer Ängste und Sorgen an. Jesaja 43,5 ist ein Wort an Israel – und gerade weil Gott zu seinem Volk treu steht, dürfen auch wir Christen wissen: Dieser Gott ist derselbe, der auch uns sagt: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.”

Unser Verhalten in Konflikten

Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig – nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit.
Titus 3,4-5

Der ausgewählte Text zur heutigen Losung stammt aus dem Brief des Paulus an Titus. In diesem gibt Paulus Titus Anweisungen zur Gemeindeleitung. Er enthält eine Ermahnung zur gesunden Lehre sowie eine Warnung vor „törichten Streitfragen”, die die Gemeinschaft zerstören könnten.

Gerade das Kapitel 3 ist erstaunlich dicht. In wenigen Versen entfaltet es die gesamte Ethik des christlichen Miteinanders. Wie an anderen Stellen des Neuen Testaments wird betont, dass wir nicht durch gute Werke gerettet werden, sondern einzig und allein durch die Barmherzigkeit Gottes. Das bedeutet jedoch nicht, ganz ohne Selbstreflexion. Wir sollten uns an unser früheres Leben erinnern, als wir noch unverständig, ungehorsam und irregehend die Sklaven von Begierden und Leidenschaften waren. Das macht uns milder, wenn wir die Welt um uns herum betrachten, in der Bosheit, Neid und Hass weit verbreitet sind.

Es ist besser, Streit zu vermeiden, vor allem, wenn es nur um Gesetzlichkeiten geht, die nur vom Wesentlichen ablenken. Wenn sich jedoch Konflikte zeigen, sollte man ihnen nicht aus dem Weg gehen, um einen scheinbaren Frieden aufrechtzuerhalten. Es ist besser, zu reden, wenn jemand verletzt oder ausgegrenzt wird, wenn Unrecht geschieht und Schweigen zur Lüge wird. Eine christliche Gemeinschaft ist kein Ort ohne Konflikte, sondern ein Ort, an dem Konflikte anders geführt werden: sanft, klar und gütig.

Ruhe vor dem Fest

Redet nicht schlecht voneinander, sondern habt ein gutes Wort für jeden, der es braucht. Was ihr sagt, soll hilfreich und ermutigend sein, eine Wohltat für alle.
Epheser 4,29

Wenige Tage vor Weihnachten stehen wir erneut vor einem „Fest der Liebe“, wie es gern genannt wird. Wir nehmen uns vor, gut miteinander umzugehen. Das haben wir allerdings schon oft versucht, und trotzdem gab es an den Festtagen so manchen Streit. Das fängt schon beim Essen und seiner Organisation an. Wer kocht? Wer hilft? Es entstehen Konflikte, wenn sich jemand überlastet fühlt, wenn sich andere nicht beteiligen und wenn Erwartungen im Raum stehen („Bei uns gab es immer Gans!“). Dann sagen wir uns: Wir hätten ja gewollt, dass alles friedlich verläuft, aber die anderen haben nicht mitgemacht.

Aber hilft uns dann ein solcher Vers wie der obige weiter? Besteht nicht die Gefahr, dass wir uns damit weit überfordern? Das könnte geschehen, wenn wir ihn als Befehl zur Perfektionierung auffassen. Es wird uns wohl kaum gelingen, niemals schlecht über andere zu reden. Der Vers könnte für uns hilfreich sein als Versuch, eine andere Richtung einzuschlagen: weg von verletzenden, destruktiven Reden, hin zu Worten, die aufbauen, heilen und stärken. Versuchen wir, uns ein wenig von den eingeübten Mustern zu befreien und von den damit verbundenen Äußerungen, mit denen wir uns und andere kleinmachen.

Gewiss, dieses destruktive Denken und Reden lässt sich nicht von heute auf morgen abstellen. Aber ein Blick auf Alternativen kann uns helfen. So könnten wir unsere Sicht der Dinge dem anderen gegenüber auch annehmbarer verpacken: „Ich sehe das anders, weil …“. Wir könnten unseren Ärger mildern, indem wir wohlwollender interpretieren: „Vielleicht hat sie heute einen schlechten Tag.“ Wir könnten auch einfach mal nichts sagen, denn nicht alles braucht einen Kommentar von uns. Die Liste der alternativen Verhaltensweisen kann jeder selbst verlängern. Vielleicht hilft es uns, den anderen als geliebtes Gegenüber zu sehen. Es verändert meinen Ton, wenn ich mir bewusst mache: „Dieser Mensch, über den ich mich da ärgere, ist von Gott gewollt und geliebt“.