Andacht Heute

Die Heilung eines Taubstummen

Jesus verließ die Gegend von Tyrus wieder und ging über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Zehnstädtegebiet. Dort wurde ein Mann zu ihm gebracht, der taub war und kaum reden konnte; man bat Jesus, ihm die Hand aufzulegen. Jesus führte ihn beiseite, weg von der Menge. Er legte seine Finger in die Ohren des Mannes, berührte dann dessen Zunge mit Speichel, blickte zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Mann: »Effatá!« (Das bedeutet: »Öffne dich!«) Im selben Augenblick öffneten sich seine Ohren, seine Zunge war gelöst, und er konnte normal reden. Jesus verbot den Leuten, jemand etwas davon zu sagen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Die Menschen waren vor Staunen ganz außer sich. »Wie gut ist alles, was er getan hat!«, sagten sie. »Er gibt sogar den Tauben das Gehör und den Stummen die Sprache wieder.« 
Markus 7,27-37

Wir können diese Begebenheit als weiteren Beweis für die Göttlichkeit Jesu Christi in die Reihe seiner Wundertaten einordnen. Doch neben der Heilung eines körperlichen Gebrechens gibt es auch eine geistige Dimension, die man beachten muss. Ich denke dabei an die vielen Menschen, die der heilenden Botschaft verschlossen sind. Sie sind wie Taubstumme, die uns nur unverständig anblicken, wenn wir vom Glauben erzählen. Unsere Worte, so gut gemeint sie auch sein mögen, bewirken bei ihnen nichts; sie scheinen ungehört an ihnen abzuprallen. Es ist, als müsste Jesus auch bei ihnen ein Wunder bewirken. Ja, er müsste auch bei ihnen „Effatá!” („Öffne dich!“) sagen, damit ihnen die Ohren geöffnet und ihre Zungen gelöst werden.

Was wir tun können: Wir können für diese Menschen beten und Jesus bitten, sie zu heilen. Er wird es auf seine Weise tun. Vielleicht nicht so, wie wir es uns vorstellen. Die Leute in Galiläa meinten, Jesus würde dem Taubstummen die Hand auflegen, wie er es sonst tat. Doch er heilte diesen hier, indem er seine Finger in dessen Ohren legte und seine Zunge mit seinem Speichel berührte. Entscheidend für diesen Mann und für jeden, der sich der rettenden Botschaft gegenüber wie ein Taubstummer benimmt, ist, dass er sich öffnen lässt. Das schaffen wir nicht allein mit unserer menschlichen Überzeugungskunst, da muss Gott helfend eingreifen.

„Fromm sein“ kann auch irritieren

Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm.
1. Mose 17,1

Die heutige Losung hat in mir eine Irritation hervorgerufen. Abraham wird von Gott aufgefordert, „fromm“ zu sein. Warum hier die Übersetzung der Lutherbibel 2017 auf dieses heute meist negativ besetzte Wort zurückgegriffen hat, erschließt sich mir nicht. Die Elberfelder und die Schlachter verwenden für das hebräische tamim das Adjektiv „untadelig“. Wenn wir heute von einem frommen Menschen hören, sehen wir meist einen Frömmler vor uns, also einen, der vor anderen nur so tut, als wäre er besonders gottesfürchtig. Genau dies ist aber das Gegenteil von dem, was tamim heißt, nämlich vollständig, untadelig, aufrichtig. Gemeint ist also eine aus der Liebe zu Gott geprägte einwandfreie Lebensführung eines Menschen. Und die gelingt nur dem, der sich ganz an Gott hält, der ihn Herr sein lässt in seinem Leben und ihm dadurch mit ganzer Liebe dient. Alles andere wäre eine falsche Vorgehensweise und ein großes Missverständnis, in dem sich schon in Zeiten Jesu die Pharisäer befanden, die anderen predigten, sie sollten sich mit aller Kraft bemühen, die Gebote zu halten, dann würden sie sich die Gunst Gottes verschaffen können. Diese Art der selbstgerechten Frömmelei ist in unserem heutigen Wort sicher nicht gemeint. Ich finde die Übersetzung der Hoffnung für alle sehr klar und eingängig:

Geh deinen Weg mit mir und lebe so, wie es in meinen Augen recht ist.
1. Mose 17,1

Nur ein Lippenbekenntnis?

Ich glaube, hilf meinem Unglauben!
Markus 9,24

Der kürzlich verstorbene Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel beklagte, dass es ihm nicht leicht falle, sich als Christ zu bezeichnen. Er sei erstaunt, wie leicht es anderen über die Lippen gehe. Dieses ehrliche Bekenntnis zum Zweifel am eigenen Glauben hat mich nachdenklich gemacht. Schriftsteller können Dinge aussprechen, die der „Normalbürger“ im Alltag nicht anrührt, weil er sich an den heißen Kastanien nicht die Finger verbrennen will. Er schaut lieber zu, wie Mutige versuchen, sie aus dem Feuer zu holen.

In den beiden großen Kirchen gibt es das Apostolische Glaubensbekenntnis, das im Gottesdienst gemeinsam gesprochen wird. Die ersten Christen haben sich darauf geeinigt, um sich ihres Glaubens zu vergewissern. Wer es spricht, bekennt seinen Glauben an den allmächtigen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Er bringt darin seine Überzeugung zum Ausdruck, dass ihm seine Sünden vergeben werden, dass er eines Tages auferstehen wird und dass er Zugang zum ewigen Leben haben wird. Aber ist das nicht für viele eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Selbstsuggestion, eine Art Beeinflussung des Geistes, um das Denken und Fühlen zum Besseren zu verändern? Geht das nicht vielen aus Gewohnheit allzu leicht von den Lippen, wie Bichsel vermutet? Ich meine, jeder, der dieses Bekenntnis spricht, muss sich diesem Anspruch stellen. Es kann nicht sein, dass wir es ohne innere Beteiligung nur so vor uns hinsprechen.

Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Amen.