Andacht Heute

Beachte den ganzen Vers

Jage aber nach der Gerechtigkeit…
1. Timotheus 6,11

„Gerechtigkeit“ ist heute vielfach zu einem Kampfbegriff geworden. So gibt es die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit. Da heißt es dann, patriarchale Strukturen müssten aufgedeckt und überwunden werden, ohne Rücksicht auf Tradition oder Normalität. Linke fordern Verteilungsgerechtigkeit, auch auf die Gefahr hin, dass Leistungswillige demotiviert werden. Das rücksichtslose Umsetzen der Klimagerechtigkeit hat uns in die Wirtschaftsdepression geführt.

Man könnte leicht dazu neigen, hier zu warnen, dass man den Begriff „Gerechtigkeit“ nicht missbrauchen sollte. Es geht aber hier bei diesem Nachjagen im vollständigen Wort der Bibel nicht allein um Gerechtigkeit, schon gar nicht um menschliche Gerechtigkeit. Der ganze Vers lautet bei Luther:

Jage aber nach der Gerechtigkeit, der GOttseligkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut.

In diesem Zusammenhang ist eindeutig die Gerechtigkeit Gottes gemeint, nicht das, was Menschen aus ihrer jeweils besonderen Sicht darunter verstehen. Und da ist es doch sehr einleuchtend, dass wir in Bewegung versetzt werden, um Gott nahe zu kommen.

Fürbitten sind notwendig

Und sie steinigten den Stephanus, der betete und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Und niederkniend rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dies gesagt hatte, entschlief er. 
Apostelgeschichte 7,59-60

Augustinus sagt: „Wenn Stephanus nicht gebetet hätte, hätte die Kirche Paulus nicht gehabt.“ Dies ist eine theologische Hypothese, für die einiges spricht. Es gibt drei Bibelstellen, auf die sie sich bezieht:
Apg 7,59–60 berichtet, dass Stephanus im Sterben betete: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ und „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“
Apg 8,1 zeigt, dass Saulus (Paulus) bei der Steinigung anwesend war und zustimmte.
Apg 9 schildert dann das Damaskuserlebnis, die entscheidende Christusbegegnung, die Paulus zum Apostel machte.

Es sind drei Szenen, die im Bericht des Lukas ohne einen kausalen Zusammenhang nebeneinanderstehen. Augustinus deutet dies wie folgt: Stephanus ist der erste Märtyrer, Paulus der erste große Missionar. Gott verwandelt Verfolgung in Berufung, Hass in Sendung und Schuld in Gnade.

Wir könnten daraus lernen, dass eine Fürbitte Früchte tragen kann, auch wenn wir diese nicht sofort sehen. Fürbitten vor Gott zu bringen, ist notwendig. Nicht, weil wir IHN damit für unsere Wünsche einbinden wollen, im Sinne von „ohne unser Gebet passiert nichts”, sondern als Ausdruck unseres Vertrauens in Gott.

Echte Liebe statt Heuchelei

‚Sie bringen auch keine Liebe hervor,‘ und gerade das muss doch das Ziel aller Verkündigung sein – Liebe aus einem reinen Herzen, einem guten Gewissen und einem Glauben, der frei ist von jeder Heuchelei. 
1. Timotheus 1,5

In seinem Brief warnt Paulus vor falschen Lehrern, die sich nur mit Mythen und endlosen Geschlechtsregistern beschäftigen. Sie sind vom Ziel abgekommen und reden „ohne Verständnis”. Ihre Lehre entspricht nicht dem Evangelium. Das finden wir auch heute noch. Anstatt sich auf die ewig gültige Botschaft einzulassen, werden einzelne Verse aus dem Zusammenhang gerissen und für eigene Zwecke verwendet. Persönliche Ansichten werden als Befehle Gottes ausgegeben, die unbedingt befolgt werden müssten. So wird beispielsweise im gleichen Brief (1. Timotheus 2,12) noch heute ein Vers so übersetzt und interpretiert*, dass darin ein Lehrverbot für Frauen ausgesprochen wird. Wer so argumentiert, handelt nicht aus Liebe, sondern missbraucht das Wort der Bibel für seine Zwecke. Schlimm ist, dass diese frommen Heuchlern gar nicht zu merken scheinen, was sie da machen. Sie sind gefangen in ihrer Gesetzlichkeit und erkennen das Prinzip der Gnade nicht, die als Rechtfertigung allein durch den Glauben, getragen von Gottes Liebe, zu verstehen ist. Liebe führt uns zur Freiheit, nicht zu gesetzlichen Verengungen. Sie führt uns zur beständigen Hoffnung auf das ewige Leben.

*Statt „Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht.“ ist es richtiger zu übersetzen: „Ich erlaube einer Frau nicht (in einer Weise) zu lehren, indem sie über den Mann herrscht.“