Andacht Heute

Nicht Leistung, sondern Liebe zählt vor Gott

Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.
1. Samuel 16,7

Am vergangenen Freitag lief abends in der ARD der Spielfilm „Mit Herz und Hilde”. Tamara May ist Unternehmenscoach und die uneheliche Tochter von Ronnie. Nach vielen Jahren taucht sie plötzlich bei ihm auf und konfrontiert ihn mit seiner Vaterschaft. Sie will ihm helfen, sein Leben zu optimieren, u. a. indem sie ihn als Trainer einer Frauenfußballmannschaft unterstützt und ihm einen Sponsor beschafft. Da sich nicht gleich der erwünschte sportliche Erfolg einstellt, kritisiert sie ihn wegen seines mangelnden Ehrgeizes. Ronnie wehrt sich und kontert die Angriffe seiner Tochter, die sich zu sehr auf ihre berufliche Einstellung der ständigen Leistungssteigerung und Selbstoptimierung konzentriert hat. Er drückt dies in einem Satz aus: „Wer immer alles besser will, für den ist nie was gut.“ Ihm ist es gelungen, dass seine Mädels trotz mancher Niederlagen Freude am Fußballspielen haben. Das ihm wichtiger als das ständige Streben nach sportlichem Erfolg. Am Ende kann er seine Tochter davon überzeugen, ihre Leistungsgetriebenheit abzulegen und in ihrem Leben mehr Platz für Menschlichkeit zu schaffen. Sie kündigt ihren Job in der Wirtschaft und widmet sich ihrer Familie und der kleinen Kantine, die sie betreibt.

Auch die Bibel ruft uns nicht zu einer reinen Erfolgsorientierung auf. Sie misst den Wert eines Menschen nicht an seinen Ergebnissen oder Leistungen, sondern an seiner Treue, seiner Liebe und seiner Demut. Während die Welt oft fragt: Was hast du erreicht?, fragt die Bibel: Wie bist du den Weg gegangen? Erfolg im biblischen Sinn bedeutet nicht Sieg oder Gewinn, sondern klare Orientierung im Glauben – ein Leben, das Gott vertraut und anderen dient, unabhängig vom äußeren Resultat.

Rückkehr zu den Tugenden Gottes

Im Mittelalter verstand man unter den Kardinaltugenden die vier Grundtugenden Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Sie galten als die zentralen Aspekte eines sittlich guten Lebens und wurden in der christlichen Tradition mit den göttlichen Tugenden in Verbindung gebracht.

Heute leben wir in einer Gesellschaft, in der sich vieles um „woke Tugenden” dreht: Wachsamkeit gegenüber Rassismus, Sexismus, Homophobie und anderen Formen der Diskriminierung, Gerechtigkeit im Sinne des Einsatzes für gleiche Rechte und faire Chancen für Minderheiten und benachteiligte Gruppen, Solidarität in Form der Unterstützung marginalisierter Gruppen und des aktiven Eintretens gegen Ausgrenzung sowie Inklusion in Form der Förderung von Diversität und Anerkennung unterschiedlicher Identitäten. Diese Ideale für eine schöne neue Welt werden mit großem Eifer und moralischem Rigorismus mittels flächendeckender medialer Verbreitung gegen die Vertreter der traditionellen Kardinaltugenden ins Feld geführt. Wer sich dieser „woken” Auffassung widersetzt, dem droht die gesellschaftliche Ausgrenzung.

Es gibt aber mittlerweile eine politische Gegenreaktion: Parteien und Bewegungen fordern eine Rückkehr zur „Normalität“. Zudem gibt es zahlreiche Kritiker, die ein Ende der Wokeness in den nächsten Jahren voraussagen. Als Christen können wir diesen Prozess unterstützen, indem wir die Tugenden Gottes (Glaube, Liebe, Hoffnung) leben, ohne uns dabei als Tugendwächter aufzuspielen.

Gerufen, nicht geworfen

Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht.
Psalm 139,14

Der Philosoph Martin Heidegger beschreibt mit dem Begriff „Geworfenheit”, dass der Mensch ohne eigenes Zutun in eine bestimmte Welt, Zeit und Situation hineingestellt ist. Wir wählen weder unsere Geburt, unsere Familie, unsere Kultur noch die historische Epoche, in der wir leben. Allerdings ist nicht alles determiniert (vorgegeben). Auch wenn totale Selbstbestimmung eine Illusion ist, können wir unser Dasein in gewissen Grenzen gestalten bzw. entwerfen. Neben der Geworfenheit ist der „Entwurf” bei Heidegger eine Grundgegebenheit der menschlichen Existenz.

Ohne Gott im Blick zu haben wirkt die Geworfenheit wie ein blinder Zufall und kann zu einem Gefühl der Verlorenheit führen. Das Leben erscheint dann als „einfach da“ – ohne Grund, ohne Ziel. Im Glauben kann ich meine Existenz jedoch als gewollt und gerufen verstehen. Ich bin nicht nur „hineingeworfen“, sondern von Gott ins Leben gestellt – mit Sinn und Ziel. Auch wenn ich meine Herkunft nicht gewählt habe, bin ich in Gottes Hand geborgen. Das gibt mir Trost und Vertrauen. Der Glaube verwandelt diese Last in eine Aufgabe: Ich darf mein Leben gestalten, im Vertrauen darauf, dass Gott mich begleitet und meine Möglichkeiten segnet.