Andacht Heute

Die Geduld Gottes

Denn das steht unumstößlich fest, darauf dürfen wir vertrauen: Jesus Christus ist in diese Welt gekommen, um uns gottlose Menschen zu retten. Ich selbst bin der Schlimmste von ihnen. Doch gerade deshalb war Gott mit mir ganz besonders barmherzig. An mir wollte Jesus Christus zeigen, wie groß seine Geduld mit uns Menschen ist. An meinem Beispiel soll jeder erkennen, dass wirklich alle durch den Glauben an Christus ewiges Leben finden können.
1. Timotheus 15-16

    Paulus ist sich bewusst, dass er als einstiger Christenverfolger ein besonders schwerer Sünder gewesen war. An ihm zeigt sich die Barmherzigkeit Gottes beispielhaft. Paulus weiß auch, wie groß die göttliche Geduld ist. Nun könnte man sagen, dass dies eine rein menschliche Sichtweise ist. Gott hat schließlich einen ganz anderen Zeitbegriff. In 2. Petrus 3,8 heißt es: „Ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.” Gott ist ewig und damit außerhalb unserer Vorstellung einer linearen Zeit. Unser Begriff von Geduld bedeutet auch, etwas unter Druck auszuhalten. Beispielsweise stehe ich an einer Supermarktkasse und habe es eilig, weil ich einen Arzttermin habe. Vor mir steht ein älterer Herr, der ganz bedächtig nach Kleingeld in seiner Geldbörse sucht und meine Geduld auf eine harte Probe stellt.

    Wenn Gott von „Geduld“ spricht, dann ist damit weniger ein „Warten-Müssen“ (wie bei uns) gemeint, sondern ein bewusstes Zurückhalten seines Gerichts und das Gewähren von Raum für Umkehr. Es ist eine Haltung seines Willens und keine durch Zeitbegrenzung bedingte Notwendigkeit. Gott hätte Paulus sofort richten können, tat es aber nicht. Stattdessen gab er ihm Zeit zur Umkehr. Die Geduld Gottes ist also kein Zeichen von Schwäche oder Zeitnot, sondern Ausdruck seiner Liebe und Barmherzigkeit. Vielleicht sollte man hier auch besser von „Langmut“ sprechen, in der sich Gottes Geduld mit uns als ewige Liebe zeigt.

    Nicht Leistung, sondern Liebe zählt vor Gott

    Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.
    1. Samuel 16,7

    Am vergangenen Freitag lief abends in der ARD der Spielfilm „Mit Herz und Hilde”. Tamara May ist Unternehmenscoach und die uneheliche Tochter von Ronnie. Nach vielen Jahren taucht sie plötzlich bei ihm auf und konfrontiert ihn mit seiner Vaterschaft. Sie will ihm helfen, sein Leben zu optimieren, u. a. indem sie ihn als Trainer einer Frauenfußballmannschaft unterstützt und ihm einen Sponsor beschafft. Da sich nicht gleich der erwünschte sportliche Erfolg einstellt, kritisiert sie ihn wegen seines mangelnden Ehrgeizes. Ronnie wehrt sich und kontert die Angriffe seiner Tochter, die sich zu sehr auf ihre berufliche Einstellung der ständigen Leistungssteigerung und Selbstoptimierung konzentriert hat. Er drückt dies in einem Satz aus: „Wer immer alles besser will, für den ist nie was gut.“ Ihm ist es gelungen, dass seine Mädels trotz mancher Niederlagen Freude am Fußballspielen haben. Das ihm wichtiger als das ständige Streben nach sportlichem Erfolg. Am Ende kann er seine Tochter davon überzeugen, ihre Leistungsgetriebenheit abzulegen und in ihrem Leben mehr Platz für Menschlichkeit zu schaffen. Sie kündigt ihren Job in der Wirtschaft und widmet sich ihrer Familie und der kleinen Kantine, die sie betreibt.

    Auch die Bibel ruft uns nicht zu einer reinen Erfolgsorientierung auf. Sie misst den Wert eines Menschen nicht an seinen Ergebnissen oder Leistungen, sondern an seiner Treue, seiner Liebe und seiner Demut. Während die Welt oft fragt: Was hast du erreicht?, fragt die Bibel: Wie bist du den Weg gegangen? Erfolg im biblischen Sinn bedeutet nicht Sieg oder Gewinn, sondern klare Orientierung im Glauben – ein Leben, das Gott vertraut und anderen dient, unabhängig vom äußeren Resultat.

    Rückkehr zu den Tugenden Gottes

    Im Mittelalter verstand man unter den Kardinaltugenden die vier Grundtugenden Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Sie galten als die zentralen Aspekte eines sittlich guten Lebens und wurden in der christlichen Tradition mit den göttlichen Tugenden in Verbindung gebracht.

    Heute leben wir in einer Gesellschaft, in der sich vieles um „woke Tugenden” dreht: Wachsamkeit gegenüber Rassismus, Sexismus, Homophobie und anderen Formen der Diskriminierung, Gerechtigkeit im Sinne des Einsatzes für gleiche Rechte und faire Chancen für Minderheiten und benachteiligte Gruppen, Solidarität in Form der Unterstützung marginalisierter Gruppen und des aktiven Eintretens gegen Ausgrenzung sowie Inklusion in Form der Förderung von Diversität und Anerkennung unterschiedlicher Identitäten. Diese Ideale für eine schöne neue Welt werden mit großem Eifer und moralischem Rigorismus mittels flächendeckender medialer Verbreitung gegen die Vertreter der traditionellen Kardinaltugenden ins Feld geführt. Wer sich dieser „woken” Auffassung widersetzt, dem droht die gesellschaftliche Ausgrenzung.

    Es gibt aber mittlerweile eine politische Gegenreaktion: Parteien und Bewegungen fordern eine Rückkehr zur „Normalität“. Zudem gibt es zahlreiche Kritiker, die ein Ende der Wokeness in den nächsten Jahren voraussagen. Als Christen können wir diesen Prozess unterstützen, indem wir die Tugenden Gottes (Glaube, Liebe, Hoffnung) leben, ohne uns dabei als Tugendwächter aufzuspielen.