Andacht Heute

Mehr als Gebote

Das Gesetz des HERRN ist vollkommen, es erquickt die Seele; das Zeugnis des HERRN ist zuverlässig, es macht den Einfältigen weise.
Psalm 19,8

Mit dem Gesetz sind hier nicht nur die Zehn Gebote oder die später entstandenen rabbinischen Gesetze gemeint. Das hebräische Wort für „Gesetz” – „Tora” – bedeutet wörtlich „Weisung”, „Unterweisung” oder „Lebensrichtung”. Damit ist in diesem Vers die gesamte Offenbarung Gottes gemeint, die den Menschen Orientierung gibt. Was Gott uns sagt, ist demnach vollkommen, klar, erfreulich und erleuchtend.

Wenn die „Seele erquickt wird”, klingt das für unsere modernen Ohren schnell nach einer frommen Floskel. Im Hebräischen hat das Verb „schuv” jedoch eine weit gefächerte Bedeutung im Sinne von „umkehren, zurückführen, wiederherstellen”. Damit kommt zum Ausdruck, dass dem Menschen nicht nur ein Energieriegel zugeschoben wird, damit er sich wieder wohlfühlt. Es ist weitaus mehr. Man muss sich einen Menschen vorstellen, der aus dem Takt geraten ist und seine tragende Mitte verloren hat. Die Weisungen Gottes, das Gesetz, bringen wieder Struktur und Ordnung in sein Leben. Damit kann seine Seele wieder aufatmen und sein Leben kommt wieder in die richtige Bahn. Das sollten wir bedenken, auch wenn es den Anschein hat, als versinke die Welt um uns herum im Chaos. Gottes Wort ist keine Last, sondern eine Lebensquelle – es ordnet, heilt, erfreut und macht weise.

Klagelieder an Weihnachten?

Bringe uns, HERR, zu dir zurück, dass wir wieder heimkommen; erneure unsre Tage wie vor alters!
Klagelieder 5,21

Heute haben wir es mit einem Vers aus den Klageliedern zu tun, der für diesen Tag von der Herrnhuter Brüdergemeine ausgelost wurde. In diesen fünf poetischen Trauergesängen wird die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier im Jahr 587 v. Chr. beklagt. Das letzte Kapitel 5 ist ein gemeinsames Gebet des Volkes, eine Bitte um Erbarmen und um die Nähe Gottes. Wir begegnen hier Versen, die man nicht unbedingt für einen Weihnachtsgottesdienst auswählen würde. Allerdings: Weihnachten ist kein Fest der Verdrängung. Viele Menschen erleben Weihnachten nicht als „Friede-Freude-Fest“, sondern als Zeit, in der Einsamkeit, Verlust oder Überforderung besonders spürbar werden.

Auch in unserer Gegenwart gibt es Schauplätze des Krieges und der Zerstörung, bei denen Klagelieder angebracht sind. Auch dort, wo äußerlich noch alles heil geblieben ist, wie bei uns, ist Trauer über den Zustand dieser Gesellschaft angebracht. An diesen Weihnachtstagen spüren wir eine tiefe Sehnsucht nach Wiederherstellung und Erneuerung. Was wir jetzt brauchen, sind keine oberflächlichen Feiertagsreden, sondern die Erkenntnis, dass nur Gott uns helfen kann. Weihnachten ist Gottes Antwort auf die Klagelieder dieser Welt. Der Sohn Gottes, Jesus Christus, kam in einer Zeit politischer Unterdrückung zu uns. Er kam nicht in ein Palastbett, sondern in einen Stall. Damit kam für jeden Einzelnen von uns die Hoffnung, die weit über die Weihnachtstage hinausgeht. Das Erbarmen Gottes wird uns jeden Morgen neu geschenkt. Er verwirft uns niemals für immer, egal, was wir getan haben. Er sieht unser Leid und bleibt uns treu.

Gut ist der HERR zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt.
Klagelieder 3,25

Hoffnung durch das Staatsoberhaupt?

Denn euch ist heute in der Stadt Davids der Retter geboren, welcher ist Christus, der Herr.
Lukas 2,11

Was können wir erwarten von einer Weihnachtsansprache, wenn ein ungläubiger Bundespräsident wie Frank-Walter Steinmeier zu uns spricht? Wie wir schon heute Presseberichten entnehmen können, wird er wieder eine dieser extrem langweiligen, allgemein gehaltenen Reden halten, die wir mittlerweile von unserem derzeitigen Staatsoberhaupt schon gewohnt sind. Da wird viel von Dunkelheit und Licht die Rede sein, von Solidarität und Gemeinschaftsgeist. Kaum ein Allgemeinplatz wird wieder ausgeklammert werden. Es ist ja nur das Volk, das dies im betulichen Ton Vorgetragene gewohnheitsmäßig schlucken muss, wenn es denn nicht lieber auf einen solchen Festgenuss verzichtet.

Im Jahr 1951, dem Jahr meiner Geburt, hielt der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer eine Weihnachtsansprache, die uns noch heute mehr berührt als die aktuellen Versuche, dem Anlass Rechnung zu tragen. In der Nachkriegszeit war es nötig, den Deutschen wieder Hoffnung für die Zukunft zu vermitteln. Adenauer gelang dies mit seiner Rede, weil sie im Christentum verankert war. Er schwurbelte nicht herum. Er sprach von dem Fest der „Geburt des Heilandes“ und mahnte schon damals vor dessen Verfall in den totalen Kommerz, wie wir ihn heute erleben. In dieser Ansprache an das Volk der Deutschen heißt es am Ende:

„Feiern wir wirkliche Weihnacht? Ist es eine geweihte Nacht, die wir begehen, ein Fest, erfüllt von Weihe, von Stille, von Besinnlichkeit? Ist es wirklich ein Fest, an dem wir anderen eine Freude bereiten wollen, so wie uns einst Freude bereitet worden ist? Oder ist nicht Weihnachten dem Fluch unserer Zeit, der Rastlosigkeit, der Unruhe, der Äußerlichkeit verfallen? Ich fürchte, es ist so! Dann wollen wir uns besinnen. Wir wollen daran denken, dass wir das Fest der Geburt des Heilandes begehen, des Sohnes Gottes, der in die Welt kam, um den armen und gehetzten Menschen den Frieden zu bringen. Wir wollen versuchen, in diesen Tagen alte Quellen in uns neu zu erschließen, Quellen, die unter dem Gestrüppe des Alltages, unter dem Schutt der Kriegsereignisse, unter dem Triebsand des modernen Lebens, seiner Hast und Hetze, seiner Äußerlichkeit und Genusssucht, seinem entsetzlichen Betrieb doch noch vorhanden sind. Wir müssen sie befreien von all dem Schutt und Gestein, das diese Jahre auf sie gehäuft haben. Sie werden dann wieder lebendig werden und uns wieder Leben spenden. Ich fürchte, es wird keinen Frieden, keine Ruhe, keine Freude für die Menschheit geben, wenn wir nicht zurückfinden zu den ewigen, unvergänglichen Gütern, auf denen allein das Glück der Menschen aufgerichtet werden kann. Schrankenlose, hemmungslose Ichsucht, Sucht nach Betrieb und Genuss bringen kein Glück. Verinnerlichung, Besinnung auf sich selbst, Arbeit und Sorge für andere und für das Gemeinsame, das ist, was uns Not tut und was uns glücklich macht…

…Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind. Diese Botschaft der Engel bei der Geburt Christi sei uns ein Trost, eine Freude, eine Hoffnung.“