Andacht Heute

Ruhe vor dem Fest

Redet nicht schlecht voneinander, sondern habt ein gutes Wort für jeden, der es braucht. Was ihr sagt, soll hilfreich und ermutigend sein, eine Wohltat für alle.
Epheser 4,29

Wenige Tage vor Weihnachten stehen wir erneut vor einem „Fest der Liebe“, wie es gern genannt wird. Wir nehmen uns vor, gut miteinander umzugehen. Das haben wir allerdings schon oft versucht, und trotzdem gab es an den Festtagen so manchen Streit. Das fängt schon beim Essen und seiner Organisation an. Wer kocht? Wer hilft? Es entstehen Konflikte, wenn sich jemand überlastet fühlt, wenn sich andere nicht beteiligen und wenn Erwartungen im Raum stehen („Bei uns gab es immer Gans!“). Dann sagen wir uns: Wir hätten ja gewollt, dass alles friedlich verläuft, aber die anderen haben nicht mitgemacht.

Aber hilft uns dann ein solcher Vers wie der obige weiter? Besteht nicht die Gefahr, dass wir uns damit weit überfordern? Das könnte geschehen, wenn wir ihn als Befehl zur Perfektionierung auffassen. Es wird uns wohl kaum gelingen, niemals schlecht über andere zu reden. Der Vers könnte für uns hilfreich sein als Versuch, eine andere Richtung einzuschlagen: weg von verletzenden, destruktiven Reden, hin zu Worten, die aufbauen, heilen und stärken. Versuchen wir, uns ein wenig von den eingeübten Mustern zu befreien und von den damit verbundenen Äußerungen, mit denen wir uns und andere kleinmachen.

Gewiss, dieses destruktive Denken und Reden lässt sich nicht von heute auf morgen abstellen. Aber ein Blick auf Alternativen kann uns helfen. So könnten wir unsere Sicht der Dinge dem anderen gegenüber auch annehmbarer verpacken: „Ich sehe das anders, weil …“. Wir könnten unseren Ärger mildern, indem wir wohlwollender interpretieren: „Vielleicht hat sie heute einen schlechten Tag.“ Wir könnten auch einfach mal nichts sagen, denn nicht alles braucht einen Kommentar von uns. Die Liste der alternativen Verhaltensweisen kann jeder selbst verlängern. Vielleicht hilft es uns, den anderen als geliebtes Gegenüber zu sehen. Es verändert meinen Ton, wenn ich mir bewusst mache: „Dieser Mensch, über den ich mich da ärgere, ist von Gott gewollt und geliebt“.

Die Rede von der Waffenrüstung

Deshalb greift zu allen Waffen, die Gott für euch bereithält!
Epheser 6,13

Als ich Epheser 6 zum ersten Mal bewusst las – es war auf einer christlichen Fortbildung –, empfand ich diesen Abschnitt als abstoßend martialisch. Verstärkend kam hinzu, dass der Seminarleiter einer von jener strengen, knochentrockenen Sorte war, die mir schon immer suspekt war. Genüsslich war von Brustpanzern, Schilden, Pfeilen und Schwertern die Rede, die wir anlegen sollten.

Dabei ist es doch so: In diesem Text über die „Waffenrüstung Gottes“ wird die Sprache und Ausrüstung eines römischen Soldaten genutzt. Für Menschen im 1. Jahrhundert war das eine alltägliche, sofort verständliche Metapher. Paulus greift sie auf, ohne zu einem Kampf gegen Menschen aufzurufen, sondern gegen die Mächte des Bösen. Alle erwähnten Waffen sind defensiv, einzig das „Schwert des Geistes“ ist offensiv, und auch das steht bildlich für Gottes Wort, nicht für Gewalt. Der Ton ist ernst, aber nicht aggressiv. Es geht um Standhalten, nicht um Angreifen. Paulus schreibt also nicht: „Geht in den Krieg“, sondern: „Bleibt standhaft, wenn euch etwas niederdrücken will.“ Man könnte auch sagen: Paulus benutzt die stärkste Bildsprache seiner Zeit, um eine zutiefst friedliche Botschaft zu vermitteln.

Tugend – Aufgabe oder Geschenk?

Bemüht euch deshalb nach Kräften, dass zu eurem Glauben das richtige Verhalten kommt. Zum richtigen Verhalten soll die Erkenntnis kommen, zur Erkenntnis die Selbstbeherrschung, zur Selbstbeherrschung die Standhaftigkeit, zur Standhaftigkeit die Ausübung des Glaubens, zur Ausübung des Glaubens die geschwisterliche Liebe und zur geschwisterlichen Liebe die Liebe überhaupt.
2. Petrus 1,5-7

    Für den Erklärtext der Tageslosung von heute wurde die Übersetzung der BasisBibel verwendet. Das ist bei den Herrnhutern eher selten der Fall, meist wird die Lutherbibel in der Fassung von 2017 herangezogen. Die BasisBibel ist eine junge, moderne Übersetzung, die seit 2021 vollständig vorliegt. Sie wurde von der Deutschen Bibelgesellschaft legitimiert und von der EKD ergänzend empfohlen.

    Leider führt diese Übersetzung beim heutigen Bibeltext in eine völlig falsche Richtung. Das beginnt schon damit, dass der Ausdruck „das richtige Verhalten“ das klassische Wort „Tugend“ ersetzt. Wenn die Tugend, wie hier, so stark als menschliche Leistung betont wird, droht eine Verschiebung hin zur Selbstrechtfertigung. Die Tugend ist jedoch nicht der Weg zur Gnade, sondern die Frucht der Gnade. Im Kontext des Petrusbriefs wird deutlich, dass die Tugend keine Voraussetzung für Gottes Gnade ist, sondern der Ausdruck bereits empfangener Gnade. Bei Paulus heißt dies: Was hast du, das du nicht empfangen hast? (1. Korinther 4,7)