Andacht Heute

Moralisierende Besserwisserei

Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.
Lukas 14,11

Sicher hat jeder schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er bei einer gesellschaftlichen Streitfrage auf zähen Widerstand gestoßen ist, der offensichtlich von großer moralischer Selbsterhöhung geprägt war. Ohne es ausgesprochen zu haben, schien die Person zu denken: „Ich mache es richtig, die anderen irren sich.“ Doch wer sich selbst zum Maßstab setzt, schließt andere Perspektiven aus und verhindert den Dialog. Wer ständig andere Meinungen als „falsch“ abstempelt, verliert Vertrauen und Nähe und gerät in soziale Isolation. Beziehungen leben von gegenseitiger Anerkennung, nicht von moralischer Überlegenheit. Außerdem ist jemand, der glaubt, dass sein Standpunkt der einzig richtige ist, weniger offen für Lernen und Veränderung. Menschen entwickeln sich durch Irrtum und Korrektur.

Dabei gibt es in vielen Lebensbereichen nicht nur einen „richtigen“ Weg, sondern mehrere gute Möglichkeiten. Wer andere moralisch verurteilt, übersieht leicht die eigenen Schwächen. Jesus’ Wort „Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ (Mt 7,3) sollte uns zu denken geben. Das Eingeständnis der eigenen Fehlerhaftigkeit tut jedem Dialog gut.

Mehr als nur Anfang und Ende

Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.
Offenbarung 22,13

Unsere menschliche Zeitwahrnehmung ist durch Chronologie geprägt. Uns erscheint das Dasein als Abfolge von Geburt, Leben und Tod. Auch unser Alltag ist geprägt von chronologischen Abläufen, die durch Uhren und Kalender strukturiert werden. Um uns zeitlich zurechtzufinden, brauchen wir Orientierung und stellen Fragen wie: „Wann fängt es an? Wann hört es auf?” Als alter Mensch erinnert man sich an Lebensabschnitte wie Schulzeit, Beruf und Ruhestand, die klar voneinander abgegrenzt sind.

Wir können allenfalls eine Ahnung davon haben, wie Gott die Zeit wahrnimmt. Als Schöpfer der Welt benötigt er mit Sicherheit keine Uhren und keine Kalender. Er ist ja Anfang und Ende der Zeit. Wenn uns das einigermaßen klar ist, dürfen wir uns in die umfassende Zeit Gottes eingebettet fühlen. Jesus Christus begleitet uns nicht nur von der Geburt bis zum Tod, sondern trägt unser Leben bis in die Ewigkeit. Auch wenn wir nur „Abschnitte“ erkennen, dürfen wir sicher sein: Gott sieht unser kleines Leben als Teil eines großen Ganzen. Er schenkt uns die Hoffnung, dass unser Ende auf Erden nicht das Ende ist, weil auch wir Teil des unermesslich großen Horizonts unseres gnädigen Gottes sind.

Getragen – ein Leben lang

Bis in euer Alter bin ich derselbe, und bis ihr grau werdet, will ich euch tragen. Ich habe es getan, und ich will heben und tragen und erretten.
Jesaja 46,4

Dieser Vers betont die Beständigkeit Gottes, die unabhängig von unserem Lebensalter oder unseren wechselnden Umständen gilt. Er trägt uns nicht nur in jungen Jahren, sondern auch in Zeiten der Schwäche, des Alters und der Krise. Das ist für jeden von uns sehr entlastend, denn wir müssen nicht aus eigener Kraft alles schaffen. Das ist eine Einladung, Sorgen loszulassen und Vertrauen zu üben. In Zeiten von Krankheit, Alter oder Unsicherheit dürfen wir uns dieser Worte bewusst erinnern. Gottes Zusage gilt für jeden Tag unseres Lebens, auch für die Zukunft. Er hat uns immer schon getragen und wird es auch weiterhin tun. Wenn wir ihm nahe sind, wird er uns auch in die Ewigkeit begleiten.

Gebet
Herr, danke, dass du derselbe bleibst, auch wenn sich alles um uns verändert. Danke, dass du uns trägst – in Freude und in Sorge, in Jugend und im Alter.