Andacht Heute

Formen der Liebe

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Matthäus 22,39

Es gibt drei Formen der Liebe: die Gottesliebe, die Nächstenliebe und die Selbstliebe. Sie sind gleichrangig und miteinander verwoben. Nur in ihrer Einheit entfalten sie die volle Kraft des christlichen Liebesgebots. Gottesliebe bleibt ohne Nächstenliebe abstrakt, Nächstenliebe ohne Selbstliebe führt zur Überforderung und Selbstliebe ohne Gottesliebe verkommt zur Selbstbezogenheit. Es ist also Vorsicht geboten bei Forderungen, wir sollten noch mehr Nächstenliebe zeigen, wie „Opfere dich auf für die anderen“ , „Das Individuum zählt nicht“ oder „Gemeinwohl geht vor Eigenwohl“. Auf diese Art wird der Einzelne überfordert. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Gottesliebe gegenüber der Nächsten- und Selbstliebe immer bevorzugt werden sollte und es beispielsweise heißt: „Nur Gott zählt, der Mensch ist nichts.“ So wird Nächstenliebe zur Nebensache und Selbstliebe zur Sünde erklärt.

Alle Forderungen, die eine Liebesart absolut setzen und die anderen verdrängen, widersprechen dem biblischen Prinzip der Gleichrangigkeit. Die drei Liebesarten sind wie drei Stimmen in einem Chor: Wenn eine Stimme dominiert oder verstummt, verliert das Ganze seine Harmonie.

Wenn wir uns entscheiden müssen

Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand; sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen.
Sprüche 3,5-6

Als Mensch muss man ständig Entscheidungen treffen. Das zeigt sich an den unterschiedlichsten Fragen, zum Beispiel: Gehe ich jetzt einkaufen oder später? Welchen Beruf sollte ich ergreifen? Mit wem will ich eine Partnerschaft eingehen? Engagiere ich mich aktiv in meiner Kirche oder bleibe ich passiv? Richte ich mein Handeln nach biblischen Werten aus?

In der Psychologie wird unterschieden zwischen verschiedene Entscheidungstypen. Da gibt es

  • den rational-analytischen Typ – er wägt Argumente und Folgen ab, sucht nach logischer Konsistenz,
  • den intuitiven Typ – er entscheidet aus dem Bauch heraus, vertraut auf spontane Eingebungen,
  • den normativen Typ – er orientiert sich stark an Regeln, Traditionen oder Autoritäten,
  • den emotionalen Typ – er lässt Gefühle und Stimmungen den Ausschlag geben,
  • den situations- oder opportunitätsorientierte Typ – er entscheidet pragmatisch nach dem, was gerade passt oder möglich ist.

Die Psychologie macht deutlich, wie viele Faktoren unser Verhalten beeinflussen. Als Christen können wir daraus lernen, unsere eigene Entscheidungsfindung zu verstehen. Wer sich leicht von Emotionen leiten lässt, sollte versuchen, Fakten stärker einzubeziehen – dies gilt auch umgekehrt. Wir benötigen auch die geistliche Unterscheidung, um Gottes Stimme von bloßen Impulsen zu unterscheiden. Dazu kann man auch den Rat anderer Christen einholen, denn Gemeinschaft hilft, einseitige Entscheidungstypen auszugleichen. Im Gebet erfahren wir große Hilfe, denn allein durch das Formulieren unserer Gedanken und Gefühle tragen wir sie bewusst vor Gott und werden offen für seine Fingerzeige.

Wenn Appelle uns antreiben

Friedemann Schulz von Thun hat ein Kommunikationsmodell entwickelt, in dem er beschreibt, wie wir eine Nachricht aufnehmen. In diesem Sinne können wir den Vers aus Galater mit unterschiedlichen „Ohren” vernehmen:

  • Sach-Ohr: Paulus beschreibt ein Prinzip des christlichen Lebens in Gemeinschaft, nach dem Lasten gemeinsam getragen werden.
  • Beziehungs-Ohr: Gott bzw. Paulus erklärt mir, dass dieses gegenseitige Unterstützen ein Ausdruck von Nähe und Solidarität ist.
  • Mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr hören wir aus dem Satz von Paulus etwas über seine persönliche Überzeugung, die er selbst erlebt hat.
  • Appellohr: Darin steckt die Aufforderung zur tätigen Nächstenliebe.

Wenn ich die Bibel immer nur mit dem Appellohr lese, begebe ich mich in die Gefahr der Überforderung. Dann sage ich mir in diesem Beispiel: „Ich muss immer helfen, sonst erfülle ich das Gesetz Christi nicht.“ Damit wird dieser Vers zu einer moralischen Last, der ich nicht immer genügen kann, was mich letztlich enttäuscht zurücklässt. Versuchen wir stattdessen, den Vers so zu betrachten, wie er wirklich ist, d. h. mit allen vier Ohren.

Sachlich: Eine christliche Gemeinschaft funktioniert durch gegenseitige Unterstützung.
Beziehung: Im Miteinander bin ich bin getragen und darf andere tragen.
Selbstoffenbarung: Paulus spricht aus dieser gelebten Erfahrung.
Appell: Auch ein Impuls zur Hilfsbereitschaft geht davon aus.

Wenn wir die Bibel nicht allein mit einem Ohr lesen und darin nicht nur Aufforderungen an uns wahrnehmen, werden wir uns nicht so leicht getrieben fühlen. Schließlich ist lange nicht jeder Satz der Heiligen Schrift mit einem Ausrufezeichen versehen, der uns zum Handeln drängt. Lassen wir uns nicht von uns selbst oder anderen unter Druck setzen, nur weil wir auf Appelle so stark reagieren.