Zweckentfremdung von Bibeltexten

Einen Fremden sollst du nicht quälen. Denn ihr wisst, wie dem Fremden zumute ist, seid ihr doch selbst Fremde gewesen im Land Ägypten.
2.Mose 23,9 (Tageslosung)

Dann werden die, die den Willen Gottes getan haben, fragen: Herr, wann kamst du als Fremder zu uns, und wir nahmen dich auf? Dann wird der König antworten: Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.
Matthäus 25,37.38.40 (Lehrtext)

Herr Jesus Christus! Fremde Menschen kommen in unser Land, weil sie in ihrer Heimat keine Grundlage zum Leben mehr finden. Sie haben alles Vertraute zurückgelassen und kennen unsere Sprache und Gebräuche nicht. Darum fühlen sie sich fremd unter uns. Wir bitten dich: Gib uns ein offenes Herz für diese neuen Nachbarn. Hilf uns, sie mit Wärme und Liebe in unsrer Mitte aufzunehmen – denn auch sie sind deine Brüder und Schwestern.
(3. Text)

Heute habe ich mich über die Auswahl des Lehrtextes und das Gebet im 3. Text für die (ausgeloste) Losung geärgert. Es ist zu offensichtlich, dass die Gelegenheit genutzt wurde, um an unser Gewissen zu appellieren, wenn es um Migranten geht. Ich halte nichts davon, mit Bibelversen politisch zu argumentieren. Es ist auch nicht gerade ein Zeichen von Mut, den 3. Text – wie hier geschehen – ohne die sonst bei den Herrnhuter Tageslosungen übliche Autorenangabe abzudrucken (erscheint nur in der Druckfassung, nicht online). Dahinter steht eine ökumenische Arbeitsgemeinschaft, die für die Auswahl der Lehr- und Begleittexte verantwortlich ist. Für mich ist dies eine weitere Bestätigung meiner Einschätzung: Die großen Kirchen mischen sich heute zu sehr in das politische Tagesgeschehen ein, statt sich um ihre eigentliche Aufgabe zu kümmern, nämlich das Heil unserer Seelen.

Wir dagegen sind Bürger des Himmels, und vom Himmel her erwarten wir auch unseren Retter – Jesus Christus, den Herrn. 
Philipper 3,20