Andacht Heute

Ein Lobpreis der Weisheit Gottes

Früher hattet ihr Gott nicht gehorcht, habt aber jetzt – wegen Israels Ungehorsam – Gottes Erbarmen gefunden. So sind nun auch sie ungehorsam geworden, damit sie dadurch, dass ihr Gottes Erbarmen gefunden habt, jetzt ebenso Erbarmen finden. Denn Gott hat alle zusammen zu Gefangenen ihres Ungehorsams gemacht, weil er allen sein Erbarmen schenken will. Wie unermesslich reich ist Gottes Weisheit, wie abgrundtief seine Erkenntnis! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat jemals die Gedanken des Herrn erkannt, wer ist je sein Berater gewesen? Wer hat ihm je etwas gegeben, das Gott ihm zurückgeben müsste? Denn von ihm kommt alles, durch ihn steht alles und zu ihm geht alles. Ihm gebührt die Ehre für immer und ewig! Amen.
Römer 11,30-36

Paulus kommt ans Ende dieses Kapitels und des Mittelteils des Briefs (9-11). Noch einmal wird der Weg Israels und der Heidenvölker zusammengefasst. Dabei wird die Gnade und Barmherzigkeit Gottes eindrucksvoll herausgestellt. Paulus gibt seiner Ehrfurcht Ausdruck, die er empfindet, wenn er Gottes unermessliche Weisheit in den Lobpreis bringt. Sie ist vom menschlichen Verstand nur zum geringen Teil erfassbar. Doch es reicht, so Paulus, wenn wir anerkennen, dass alles von Gott geschaffen ist, und wenn wir IHM alle Ehre dafür zukommen lassen. Wunderbar ist sein Handeln mit Israel und allen Nationen.

Vielen Bibellesern erscheint dieser Mittelteil des Römerbriefs eher mühsam zu lesen. Das theoretische Argumentieren steht hier offenbar im Vordergrund. Aber Paulus war es wichtig, im Verhältnis von Israel und den Heidenvölkern Gottes souveränes Handeln sehr ausführlich darzulegen. Wir können dabei lernen, dass wir einen Fehler machen, wenn wir alles auf die Frage der Auserwählung Gottes reduzieren, wie es Calvin getan hat, der dem Menschen keinerlei aktive Rolle zugesteht. Niemand wird von vornherein von Gott verstoßen, alle haben wir eine große Chance, uns zu bekehren. Nach diesem Teil mit den theoretischen Überlegungen geht es im letzten Teil des Römerbriefs 12-16 um praktische Auswirkungen der Rettung Israels und der Heidenvölker.

Gottes Gerechtigkeit und menschlicher Zweifel

Und damit ihr euch nichts auf eure Klugheit einbildet und falsche Schlüsse daraus zieht, will ich euch das folgende Geheimnis bekannt machen: Ein Teil von Israel hat sich verhärtet. Aber das gilt nur so lange, bis die volle Zahl von Menschen aus den anderen Völkern zum Glauben gekommen ist. Israel als Ganzes wird dann so gerettet werden, wie geschrieben steht: „Aus Zion wird der Retter kommen, der alle Gottlosigkeit von Jakobs Nachkommen entfernt. Und das ist mein Bund für sie, wenn ich ihre Sünden von ihnen nehme.“ Ihre Einstellung zum Evangelium macht sie zwar zu Feinden – was euch zugutekommt –, aber von der Erwählung her gesehen sind sie Geliebte – wegen ihrer Stammväter. Denn Gott nimmt seine Gnadenerweise nicht zurück und bereut seine Berufungen nie.
Römer 11,25-29

Die Bedeutung dieser Zeilen in aller Kürze: Das Evangelium wird immer noch den Nationen verkündigt. Erst wenn es bis in den letzten Winkel der Erde vorgedrungen ist, und alle Heidenvölker die Möglichkeit zur Umkehr gehabt haben, wird die volle Rettung Israels zuteilwerden, weil Gott seine Zusagen einhält.

Jetzt wird so mancher sagen: „Das klingt alles schlüssig. Aber nur, wenn man nicht so genau hinschaut. Wie steht es da mit der Gerechtigkeit, wenn nicht alle die gleichen Chancen hatten? Sind und waren nicht viele zur falschen Zeit am falschen Ort?“ Für diese immer wieder geäußerten Zweifel gibt es in der Bibel nicht wenige Stellen, die dafür eine hinreichende Erklärung liefern. Ich will hier nur auf Römer 1,19-20 verweisen:

Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es mit Vernunft wahrnimmt, an seinen Werken ersehen. Darum haben sie keine Entschuldigung.

Wir dürfen sicher sein, dass Gott kein Despot ist, der sich für oder gegen jemand entscheidet, gerade wie seine Laune ist. Wer hier ein Problem mit diesen Fragen hat, dem bleibt die Wahl, immer neue Argumente zu finden, um nachzuweisen, dass Gott willkürlich handelt – oder er macht seinen Frieden damit und vertraut darauf, dass ER ein gerechter Richter sein wird. Dieses Gericht über uns wird es geben, so wie es geschrieben steht:

Vor dem Thron aber sah ich die Toten stehen, vom Größten bis zum Kleinsten. Es wurden Bücher aufgeschlagen, in denen alle Taten aufgeschrieben sind, und dann noch ein anderes Buch: das Buch des Lebens. Anschließend wurde Gericht über die Toten gehalten. Jeder bekam das Urteil, das seinen Taten entsprach.
Offenbarung 20,12

Gott ist gütig und streng

Du siehst hier also die Güte und die Strenge Gottes: Seine Strenge gilt denen, die sich von ihm abgewandt haben, aber seine Güte gilt dir, sofern du dich auf seine Güte verlässt; sonst wirst auch du herausgeschnitten werden. Doch auch die anderen Zweige können wieder eingepfropft werden. Gott ist sehr wohl imstande, das zu tun – vorausgesetzt, sie halten nicht an ihrem Unglauben fest. Denn wenn du aus dem wilden Ölbaum, zu dem du von Natur aus gehörtest, ausgeschnitten und gegen die natürliche Ordnung in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, wie viel leichter wird es dann sein, die Zweige, die natürlicherweise zum edlen Ölbaum gehören, wieder an ihre Stelle einzupfropfen.
Römer 11,22-24

Auch in diesem Abschnitt des Römerbriefs geht es wieder um das Verhältnis des Volks Gottes und der Heidenchristen. Wir haben gesehen, dass Paulus Letztere davor warnt, den Juden gegenüber hochmütig zu werden. Auch hier in diesen Zeilen bringt er Gottes Güte und Strenge zum Ausdruck. Ich muss an die Geschichte von Jona denken. Er wurde ja vom Walfisch verschluckt und gerettet. Später war er erbost darüber, dass Gott Milde walten ließ mit der Stadt Ninive und sie nicht zerstörte. Hier zeigte sich, dass einem Geretteten eine Lehre erteilt wurde. Gott kann es nicht gefallen, wenn wir mit unserem Gerechtigkeitseifer auf die Bestrafung der noch Zögernden pochen, statt dafür zu beten, dass auch sie umkehren. Wenn es dazu kommt, dass Gottes Volk sich besinnt, dann wird dessen Wiederaufnahme durch IHN mit großer Leichtigkeit geschehen, ganz so wie dies beim Einpfropfen der natürlichen Zweige des Ölbaums gelingt.

Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Lukas 6,37

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