Das Problem mit den Wundern
Als die Jünger Jesus auf dem See gehen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst. Sogleich aber redete Jesus mit ihnen: Seid getrost, ich bin es. Fürchtet euch nicht!
Matthäus 14,26-27
In dem Skandalfilm „Das Gespenst” des Filmemachers Herbert Achternbusch steigt dieser selbst vom Kreuz einer Klosterkirche herunter und zieht durch Bayern. In einer der provokantesten Szenen inszeniert sich Achternbusch als Jesusfigur, die über das Wasser eines Sees schreitet – jedoch nicht als Wunder, sondern als groteske Geste. In Österreich ist der Film wegen Herabwürdigung religiöser Lehren heute noch verboten. Auch in Deutschland gab es massive Kritik und Blasphemievorwürfe. Trotzdem wurde er 1983 von der Jury der Evangelischen Filmarbeit, die sich mit den kulturellen, ethischen und spirituellen Dimensionen des Films beschäftigt, als „Film des Monats” ausgezeichnet. Man kann auch heute nur den Kopf schütteln, dass so etwas möglich war.
Seit der Aufklärung gibt es bei uns ein Problem mit Wundern. Seither wird alles, was nicht messbar, wiederholbar oder logisch erklärbar ist, skeptisch betrachtet, wenn nicht gar als lächerlich, wie im obigen Fall. Diese Einstellung ist nicht nur im Atheismus verbreitet. So wollte beispielsweise der evangelische Theologe Rudolf Bultmann die biblischen Texte von ihrem mythologischen Weltbild befreien: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ In einer Welt, in der fast alles „machbar” erscheint, empfindet sich der Mensch zunehmend als „Macher” statt als „Empfänger”. Wunder aber setzen ein Gegenüber voraus, das größer ist als wir selbst. Die Welt der Bibel ist von Wundern durchzogen. Sie gelten jedem Gläubigen als Zeichen für die Nähe Gottes.
„Siehe, ich bin der HERR, der Gott allen Fleisches. Sollte mir etwas unmöglich sein?“
Jeremia 3227