Andacht Heute

Ein Fehlschluss

Jesus sprach zu ihm: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! Als aber der junge Mann das Wort hörte, ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter.“
Matthäus 19,21-22

Für den reichen Jüngling war die Antwort Jesu auf seine Frage, was ihm denn noch fehle, da er doch alle Gesetze des Alten Bundes gehalten habe, ein Schock. Wir, die wir das Neue Testament aufmerksam lesen, könnten hier in eine Falle tappen. Wir könnten zu dem Schluss kommen, dass Jesus von jedem von uns verlangt, sich von allem Besitz zu trennen, und dass dies der einzige Weg ist, ihm zu folgen.

Aus mehreren Gründen ist dies nicht die richtige Schlussfolgerung. Erstens sagt Jesus mit keinem Wort, dass sich alle Menschen so verhalten sollen, sondern seine Antwort galt nur dem jungen Mann, der sich in seiner Vergötzung der materiellen Werte verfangen hatte. Die Anhäufung von immer mehr Reichtum war ihm immer noch wichtiger als seine Umkehr. Jesus machte ihm unmissverständlich klar, dass er deshalb IHM nicht nachfolgen könne. Die zweite Fehleinschätzung des jungen Mannes war, dass es darauf ankäme, die Gebote noch strenger zu halten und sich dadurch selbst zu retten. Was aber im Neuen Bund allein zählt, ist der Glaube an Jesus Christus als den Sohn Gottes, unseren Heiland und Erlöser. Er ist nicht in diese Welt gekommen, um hier eine bessere, gerechtere Welt zu schaffen, indem er etwa alle Reichen dazu auffordert, ihren gesamten Besitz den Armen zu geben, um ihr Seelenheil zu erlangen. Abraham, Salomo und David sind Beispiele für sehr reiche Menschen. Ihr Besitz konnte kein Hindernis für ihre Errettung sein. Umgekehrt ist auch Armsein kein Freifahrtschein in den Himmel. Bei Gott ist alles möglich. Gottes Gnade genügt, um auch den reichen Mann zu retten.

Als seine Jünger das hörten, entsetzten sie sich sehr und sprachen: Wer kann dann überhaupt gerettet werden? Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei den Menschen ist dies unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich.
Matthäus 19,25-26

Eitelkeiten und Nichtigkeiten

Wende meine Augen ⟨davon⟩ ab, das Eitle zu betrachten. Belebe mich auf deinen Wegen!
Psalm 119,37

Der Psalmist bittet den Herrn, ihm seinen Blick abzuwenden von dem, was hebräisch als shaw bezeichnet wird. Das Wort steht für Lüge, Trug, Falschheit, Nichtigkeit. Wir können uns auch ansehen, wie verschieden es übersetzt wird:

das Eitle (Elberfelder)
Eitelkeit (Neue evangelistische Übersetzung)
nach Nichtigem (Schlachter)
sinnlose Dinge (Hoffnung für alle)
nach unnützer Lehre (Lutherbibel 2017)
trügerischen Dingen (Neue Genfer Übersetzung)

Für Spurgeon (1834-92) heißt das: „Des Fleisches Lust, der Augen Lust, hoffärtiges Leben, unrecht Gut, Eigendünkel, kurzum alles, was nicht von Gott ist, fällt unter diese Bezeichnung.“ Für unser Verständnis dessen, was hier im Vers gemeint ist, ist vor allem die zweite Hälfte der Definition noch sehr hilfreich. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was der große Prediger gesagt hätte, zu all den Eitelkeiten und Nichtigkeiten, die heute über die Medien auf unsere Augen einstürmen.

Spurgeon hat erkannt, dass nur Gott allein uns so „erquicken“ kann, dass wir in seiner Nachfolge die Kraft zum Widerstand gegen das Nichtige erhalten: „Erfülle mich so mit Leben, dass die tote Eitelkeit keine Macht mehr über mich hat. Gib mir Kraft, so munter und hurtig auf dem Wege zum Himmel voranzuschreiten, dass ich das Eitle nicht lange genug in Sicht behalte, um davon gefesselt zu werden. Die Bitte weist uns hin auf eines unserer größten Bedürfnisse: mehr muntere Beweglichkeit und Tatkraft in unserem Gehorsam. Sie zeigt uns die behütende Macht eines frischeren Geisteslebens gegenüber dem Bösen, das uns umgibt. Sie sagt uns aber auch, woher solche Neubelebung und Kräftigung kommen muss: vom HERRN allein. Eitelkeit ist Tod, und gegen den Tod gibt es kein besseres Mittel als Lebenskraft von oben. Erfüllt die Gnade das Herz, so werden auch die Augen von der Unreinigkeit erlöst. Und wiederum, wollen wir voll Eifer und Tatkraft für das Göttliche sein, so müssen wir uns von aller Sünde und Torheit fernhalten, sonst werden unsere Augen nur zu bald unseren Sinn gefangen nehmen, und gleich Simson, der doch tausend zu schlagen vermochte, können wir selber zu Überwundenen werden durch die Lüste, die durch das Auge ihren Eingang finden.“

Verstand und Demut

Vertraue auf den HERRN mit deinem ganzen Herzen und stütze dich nicht auf deinen Verstand! 
Sprüche 3,5

Im Laufe des 18. Jahrhunderts war die Begeisterung für die Aufklärung einer Ernüchterung gewichen. Anfangs war man sehr optimistisch gewesen, weil man sich von den Fesseln der alten Bücher befreit hatte. Nicht mehr die göttliche Offenbarung war die Richtschnur, sondern allein aus der menschlichen Vernunft sollte sich neues, richtiges Denken entwickeln können. Man müsse nur für alle Erscheinungen der Welt klare und eindeutige Begriffe bilden, dann würde sich „eine Übereinstimmung unseres Erkenntnisses mit den Dingen selbst“ (Gottsched) zeigen. Bald kam aber die große Enttäuschung. Diese Methode führte zwar zu ungeahnten Erfolgen in den Naturwissenschaften, war aber für die Beantwortung der großen Fragen der Menschheit viel zu einfach gestrickt.

Vernünftiges Denken ist natürlich auch für unser Glaubensleben notwendig. Es ist sicher nicht falsch, nach klaren Begriffsbestimmungen zu suchen, wenn wir die biblischen Texte lesen. Aber was nützt aller Verstand, wenn die gewonnene Erkenntnis nicht unser Herz erreicht? Dann können wir vielleicht in bewundernswerter Weise über die Verse der Bibel dozieren, aber alles bleibt an der Oberfläche und dient nur unserem Ego. Vergessen wir nie, dass der Verstand ein Geschenk Gottes ist, das wir in aller Demut nutzen dürfen.