Andacht Heute

Starke und Schwache

Wir, die Starken, haben die Pflicht, die Schwächen der Schwachen zu tragen, anstatt selbstgefällig nur an uns zu denken. Jeder von uns soll auf den anderen Rücksicht nehmen, damit es ihm gut geht und er gefördert wird.
Römer 15,1-2

Dass Paulus sich hier zu den Starken zählte, erscheint angemessen, bei all dem, was der Apostel in seinem Leben im Namen Jesu getan und erlitten hat. Er sagte dies, obwohl er bei den Korinthern und deren scheinbar starken Charismatikern, die sich eine Menge erlaubt haben, nicht viel gegolten hat. An anderer Stelle rühmte er sich sogar seiner Schwachheit.

Jetzt bin ich sogar stolz auf meine Schwachheit, weil so die Kraft von Christus auf mir ruht.
2. Korinther 12,9

Wenn Paulus hier von Stärke spricht, dann ist ihm bewusst, dass sie nicht aus ihm selbst kommt, sondern aus der Kraft Gottes. Und dies ist ihm auch eine Verpflichtung, geduldig mit denen zu sein, die ihm aufgrund mancher Schwachheiten eine Last sind. Ich benutze gerne das Bild einer Gruppe von Bergwanderern. Gemeinsam den Gipfel erreichen kann nur gelingen, wenn sich die Starken der Gruppe um die Schwachen kümmern. Für diese ist es wenig ermunternd, wenn ihnen ständig gezeigt wird, wie sehr ihre Kraft und Ausdauer noch verbessert werden muss. Nicht anders ist es im Glauben. Da ist es gerade im Hinblick auf die weniger Vermögenden nicht aufbauend, wenn Selbstgefällige von ihren Fähigkeiten und Leistungen erzählen und nicht erwähnen, dass sie diese einzig dem Herrn zu verdanken haben.

Deshalb nehmt euch gegenseitig an, wie auch Christus euch angenommen hat, damit Gott geehrt wird!
Römer 15,7

Was Paulus wichtig war

Denn im Reich Gottes geht es nicht um Essen und Trinken, sondern um das, was der Heilige Geist bewirkt: Gerechtigkeit, Frieden und Freude. Wer Christus auf diese Weise dient, wird von Gott anerkannt und von den Menschen geachtet. Lasst uns also nach dem streben, was zum Frieden und zum Aufbau der Gemeinde beiträgt!
Römer 14,17-19

Es fällt auf, wie lange dieses Kapitel im Römerbrief ist. Oberflächlich gesehen, scheint es Paulus nur um die Zweitrangigkeit von Fragen zum Essen und zum Trinken gegangen sein. Er unterstreicht aber damit, was den Gläubigen wirklich wichtig sein sollte: den inneren Frieden und die Liebe in christlichen Gruppierungen und den Gemeindeaufbau.

An dieser Stelle kann ich nicht umhin und muss einen Blick auf die unterschiedliche Gewichtung der paulinischen Texte werfen. Man vergleiche dieses lange Kapitel in Römer 14,1-23 mit den beiden kurzen Anmerkungen zur Rolle der Frau in der Gemeinde (1. Timotheus 2,12 und 1. Korinther 14,34), die zu den umstrittensten Stellen bei Paulus gehören. Lässt sich wirklich, wie es noch heute geschieht, allein aus zwei kleinen Textstellen ein allgemeines Rede- und Lehrverbot für alle Frauen ableiten? Wir wissen doch, dass Paulus in seinen Briefen bei für ihn wichtigen Themen sich fortwährend wiederholt. Wir könnten auch sagen: solange bis es der Letzte verstanden hat. Und dann sollte er den Frauen, so ganz kurz im nebenbei, jegliche Beteiligung am öffentlichen Dialog zur rettenden Lehre versagt haben? Das ist nicht vorstellbar, auch deshalb nicht, weil man mit dieser Meinung der einen Hälfte der Menschheit das Wirken des Heiligen Geists abspricht.

Es geht um viel mehr

Hören wir doch auf, uns gegenseitig zu verurteilen! Achten wir vielmehr darauf, dass wir unserem Bruder kein Hindernis in den Weg legen und ihn zu Fall bringen! Ich weiß und bin durch den Herrn Jesus fest davon überzeugt, dass nichts von Natur aus unrein ist. Aber für den, der etwas als unrein ansieht, ist es unrein.
Römer 14,13-14

Noch einmal erinnert Paulus die Christen in Rom an das, worum es im Himmelreichsbau geht. Wer hier Speisegebote zu sehr in den Vordergrund stellt, verfehlt das Ganze. Und er macht sich schuldig an den Geschwistern, weil er sie in eine innere Notlage bringt. Wir sollen uns nicht gegenseitig herabsetzen, sondern uns aufbauen. Was Paulus hier schreibt, ist ein ernster Appell an die schon Starken im Glauben, durch geistliche Überheblichkeit nichts zu zerstören bei denen, die noch nicht so weit sind. Andererseits warnt der Apostel auch davor, in ein Streben nach einem vollkommeneren Christentum zu verfallen, das sich in Äußerlichkeiten erschöpft. Beides führt nur zu Auseinandersetzungen, die nicht sein müssten und die Einheit der Gläubigen zerstört.

Wenn du also deinen Bruder wegen einer Speise in innere Not bringst, dann lebst du nicht mehr in der Liebe. Bring ihn mit deinem Essen nicht ins Verderben! Christus ist ja auch für ihn gestorben. Lasst das Gute, das Gott euch geschenkt hat, doch nicht in üblen Ruf kommen! Denn im Reich Gottes geht es nicht um Essen und Trinken, sondern um das, was der Heilige Geist bewirkt: Gerechtigkeit, Frieden und Freude.
Römer 14,15-17