Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
Apostelgeschichte 16,9-10
In der Neuen Evangelistischen Übersetzung, der Neuen Genfer Übersetzung und der Hoffnung für alle wird an dieser Stelle von „Vision“ gesprochen. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. Mit „Vision” wird der innere, geistige Vorgang betont. Es ist ein subjektiver Vorgang, vergleichbar mit einem Traum. Es betont die innere Führung durch den Geist Gottes. Paulus empfängt eine geistige Wegweisung. „Erscheinung” klingt dagegen stärker nach einem äußeren, objektiven Ereignis. Es betont die Realität und Autorität des Rufes. Es wirkt wie ein göttliches Eingreifen in die Geschichte. Zweifellos sind beide Übersetzungen sprachlich möglich und auch denkbar. Persönlich tendiere ich zu „Erscheinung”, da es im Anschluss heißt „Ein Mann aus Makedonien stand da” und nicht „Paulus erschien ein Mann aus Makedonien im Traum”.
Auch wenn man nicht vollständig vom Denken der Postmoderne überzeugt ist, kann der von ihr vorgetragene Hinweis hilfreich sein, dass Leser einen Text immer auf unterschiedliche Weise interpretieren. Allerdings ist nicht „alles denkbar”, wie auch gesagt wurde. In gewissen Grenzen mag es jedoch einen Spielraum für die Interpretation geben. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass Gott eingegriffen hat, nicht wie das geschehen ist. Ein Eingreifen Gottes in das Leben eines Menschen ist auf unterschiedliche Weise möglich, und es ist wohl nicht von großer Wichtigkeit, welcher Auslegung wir den Vorzug geben.