Moralisierende Besserwisserei
Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.
Lukas 14,11
Sicher hat jeder schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er bei einer gesellschaftlichen Streitfrage auf zähen Widerstand gestoßen ist, der offensichtlich von großer moralischer Selbsterhöhung geprägt war. Ohne es ausgesprochen zu haben, schien die Person zu denken: „Ich mache es richtig, die anderen irren sich.“ Doch wer sich selbst zum Maßstab setzt, schließt andere Perspektiven aus und verhindert den Dialog. Wer ständig andere Meinungen als „falsch“ abstempelt, verliert Vertrauen und Nähe und gerät in soziale Isolation. Beziehungen leben von gegenseitiger Anerkennung, nicht von moralischer Überlegenheit. Außerdem ist jemand, der glaubt, dass sein Standpunkt der einzig richtige ist, weniger offen für Lernen und Veränderung. Menschen entwickeln sich durch Irrtum und Korrektur.
Dabei gibt es in vielen Lebensbereichen nicht nur einen „richtigen“ Weg, sondern mehrere gute Möglichkeiten. Wer andere moralisch verurteilt, übersieht leicht die eigenen Schwächen. Jesus’ Wort „Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ (Mt 7,3) sollte uns zu denken geben. Das Eingeständnis der eigenen Fehlerhaftigkeit tut jedem Dialog gut.