„Wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Irrt euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Habgierige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes erben.“
Korinther 6,9-10
Es gibt Ausleger der Bibel, die immer genau zu wissen scheinen, was Gott denkt. In ihren Betrachtungen tauchen dann Formulierungen wie „Gott möchte von uns, dass …” auf. Das klingt, als wären sie nicht nur Interpreten, sondern Drehbuchschreiber eines göttlichen Dramas. Das sollte uns stutzig machen, denn es riecht sehr nach Selbstbeweihräucherung. Es sieht so aus, als hätten diese Leute die Gedanken Gottes voll erkannt und setzten sie souverän um – im Gegensatz zu einfachen Gläubigen, die sich nicht immer sicher sind, was Gottes Wille in einer konkreten Situation ist. Gerne picken sich solche „klugen” Interpreten einen Bibelvers heraus, vergrößern ihn und falten die sich aus ihrer Auslegung ergebende strategische Lehre wie einen Schlachtplan aus. Deren Befolgung erklären sie dann für andere Menschen als verbindlich.
So wird denn auch der obige Vers gerne herangezogen, um gegen jede Art von Verfehlung vorzugehen. Anstatt den Text als Teil einer größeren Argumentation über Umkehr und Vergebung zu lesen, wird er als gesetzlicher Katalog verstanden, der sich beliebig erweitern lässt. Daraus lassen sich Moralregeln ableiten: von der strengen Einhaltung der sonntäglichen Versammlung in der Gemeinde bis hin zum Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus kirchlichen Ämtern. Und das alles, weil man sich ja so sicher ist, was Gottes Wille ist. So entsteht leicht ein Tonfall moralischer Überlegenheit, bei dem die Bibel als Waffe statt als Einladung zu Umkehr und Hoffnung benutzt wird, um Macht über andere auszuüben. Vergessen wir nicht, dass der Glaube uns befreit von Angst, Schuld und dem Zwang, sich vor Menschen rechtfertigen zu müssen. Er ruft uns in eine Beziehung, die von Vertrauen und Liebe geprägt ist – nicht von Unterwerfung unter selbsternannte Autoritäten.
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.
Galater 5,1