Andacht Heute

Vertrautheit kann zur Unterschätzung führen

Er ist doch der Zimmermann, Marias Sohn. Wir kennen seine Brüder Jakobus, Joses, Judas und Simon. Und auch seine Schwestern leben hier bei uns.« So kam es, dass sie ihn ablehnten. Da sagte Jesus: »Nirgendwo gilt ein Prophet weniger als in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner eigenen Familie.«
Markus 6,3-4

Was Jesus hier gesagt hat („Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“), ist zu einer Redewendung geworden, die wir heute erstaunlich häufig antreffen. Oft ist dies in dörflichen und kleinstädtischen Strukturen der Fall, in denen jeder jeden kennt. Wenn da einer aus der Stadt kommt, gilt er schnell als Experte. Kluge und engagierte Leute, die man schon lange kennt, werden dagegen nicht so geschätzt, wie sie es verdient hätten. Psychologisch erklärt sich diese Idealisierung des Fremden durch das Fehlen von Nähe und längerer Erfahrung mit der Person. Dadurch werden die alltäglichen Schwächen, die jeder hat, ausgeklammert. Demgegenüber wirken die Bekannten „entzaubert”. Sie werden nicht als außergewöhnlich wahrgenommen. Anders als beim Fremden bieten sie keinen Raum für Sehnsüchte und überzogene Hoffnungen. Die Vertrautheit mit bekannten Menschen kann dazu verführen, sie als nicht besonders kompetent und innovativ wahrzunehmen.

Hier sollten wir mal unsere eigene Einstellung prüfen: Wie halten wir es mit unserer Wertschätzung im Nahbereich? Gibt es Menschen in unserer Nähe, die wir unterbewerten, nur weil wir sie schon lange kennen? Wie gehen wir mit Vorschlägen um, die in unserem alltäglichen Umfeld geäußert werden? Denken wir nicht oft allzu schnell: „Das kann nichts werden, wenn das von der oder von dem kommt?” Leider werten wir auf diese Weise oft, ohne uns ausreichend mit dem Inhalt von Vorschlägen und Gedanken zu beschäftigen. Doch Gott wirkt nicht nur durch Fremde, sondern oft gerade durch diejenigen, die wir gut zu kennen glauben. Achten wir wieder mehr darauf, das Besondere im Vertrauten neu zu entdecken!