Andacht Heute

Gottes Gerechtigkeit und menschlicher Zweifel

Und damit ihr euch nichts auf eure Klugheit einbildet und falsche Schlüsse daraus zieht, will ich euch das folgende Geheimnis bekannt machen: Ein Teil von Israel hat sich verhärtet. Aber das gilt nur so lange, bis die volle Zahl von Menschen aus den anderen Völkern zum Glauben gekommen ist. Israel als Ganzes wird dann so gerettet werden, wie geschrieben steht: „Aus Zion wird der Retter kommen, der alle Gottlosigkeit von Jakobs Nachkommen entfernt. Und das ist mein Bund für sie, wenn ich ihre Sünden von ihnen nehme.“ Ihre Einstellung zum Evangelium macht sie zwar zu Feinden – was euch zugutekommt –, aber von der Erwählung her gesehen sind sie Geliebte – wegen ihrer Stammväter. Denn Gott nimmt seine Gnadenerweise nicht zurück und bereut seine Berufungen nie.
Römer 11,25-29

Die Bedeutung dieser Zeilen in aller Kürze: Das Evangelium wird immer noch den Nationen verkündigt. Erst wenn es bis in den letzten Winkel der Erde vorgedrungen ist, und alle Heidenvölker die Möglichkeit zur Umkehr gehabt haben, wird die volle Rettung Israels zuteilwerden, weil Gott seine Zusagen einhält.

Jetzt wird so mancher sagen: „Das klingt alles schlüssig. Aber nur, wenn man nicht so genau hinschaut. Wie steht es da mit der Gerechtigkeit, wenn nicht alle die gleichen Chancen hatten? Sind und waren nicht viele zur falschen Zeit am falschen Ort?“ Für diese immer wieder geäußerten Zweifel gibt es in der Bibel nicht wenige Stellen, die dafür eine hinreichende Erklärung liefern. Ich will hier nur auf Römer 1,19-20 verweisen:

Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es mit Vernunft wahrnimmt, an seinen Werken ersehen. Darum haben sie keine Entschuldigung.

Wir dürfen sicher sein, dass Gott kein Despot ist, der sich für oder gegen jemand entscheidet, gerade wie seine Laune ist. Wer hier ein Problem mit diesen Fragen hat, dem bleibt die Wahl, immer neue Argumente zu finden, um nachzuweisen, dass Gott willkürlich handelt – oder er macht seinen Frieden damit und vertraut darauf, dass ER ein gerechter Richter sein wird. Dieses Gericht über uns wird es geben, so wie es geschrieben steht:

Vor dem Thron aber sah ich die Toten stehen, vom Größten bis zum Kleinsten. Es wurden Bücher aufgeschlagen, in denen alle Taten aufgeschrieben sind, und dann noch ein anderes Buch: das Buch des Lebens. Anschließend wurde Gericht über die Toten gehalten. Jeder bekam das Urteil, das seinen Taten entsprach.
Offenbarung 20,12

Gott ist gütig und streng

Du siehst hier also die Güte und die Strenge Gottes: Seine Strenge gilt denen, die sich von ihm abgewandt haben, aber seine Güte gilt dir, sofern du dich auf seine Güte verlässt; sonst wirst auch du herausgeschnitten werden. Doch auch die anderen Zweige können wieder eingepfropft werden. Gott ist sehr wohl imstande, das zu tun – vorausgesetzt, sie halten nicht an ihrem Unglauben fest. Denn wenn du aus dem wilden Ölbaum, zu dem du von Natur aus gehörtest, ausgeschnitten und gegen die natürliche Ordnung in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, wie viel leichter wird es dann sein, die Zweige, die natürlicherweise zum edlen Ölbaum gehören, wieder an ihre Stelle einzupfropfen.
Römer 11,22-24

Auch in diesem Abschnitt des Römerbriefs geht es wieder um das Verhältnis des Volks Gottes und der Heidenchristen. Wir haben gesehen, dass Paulus Letztere davor warnt, den Juden gegenüber hochmütig zu werden. Auch hier in diesen Zeilen bringt er Gottes Güte und Strenge zum Ausdruck. Ich muss an die Geschichte von Jona denken. Er wurde ja vom Walfisch verschluckt und gerettet. Später war er erbost darüber, dass Gott Milde walten ließ mit der Stadt Ninive und sie nicht zerstörte. Hier zeigte sich, dass einem Geretteten eine Lehre erteilt wurde. Gott kann es nicht gefallen, wenn wir mit unserem Gerechtigkeitseifer auf die Bestrafung der noch Zögernden pochen, statt dafür zu beten, dass auch sie umkehren. Wenn es dazu kommt, dass Gottes Volk sich besinnt, dann wird dessen Wiederaufnahme durch IHN mit großer Leichtigkeit geschehen, ganz so wie dies beim Einpfropfen der natürlichen Zweige des Ölbaums gelingt.

Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
Lukas 6,37

Austausch über den Römerbrief

Es geht auch ohne Hochmut

Wenn das erste Brot der neuen Ernte Gott geweiht ist, dann auch der Teig. Wenn die Wurzel des Baumes Gott geweiht ist, dann sind es auch die Zweige. Nun sind einige Zweige ausgebrochen worden, und du wurdest als neuer Zweig unter die übrigen eingepfropft. Obwohl du von einem wilden Ölbaum stammst, hast du jetzt Anteil am Saft aus der Wurzel des edlen Ölbaums. Du hast keinen Grund, verächtlich auf die anderen Zweige herabzusehen. Und wenn du es dennoch tust, sollte dir klar sein: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich! Vielleicht wirst du nun sagen: „Die Zweige sind ja herausgebrochen worden, damit ich eingepfropft werden konnte.“Das ist richtig. Aber dass sie ausgebrochen wurden, lag an ihrem Unglauben. Und du hast deinen Stand nur durch den Glauben. Sei also nicht überheblich, sondern pass auf, dass es dir nicht genauso geht. Denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, warum sollte er dann dich verschonen?
Römer 11,16-21

Paulus zeigt hier an einem Beispiel aus dem Gartenbau, wie das Verhältnis zwischen den zum Glauben gekommenen Heiden zu den noch abseits stehenden Juden sein sollte. Auf keinen Fall sollten sich die neu eingepropften Zweige den anderen gegenüber überheblich zeigen. Sie geben zwar dem Ölbaum neue Kraft, indem sie die ausgebrochenen ersetzen. Dennoch sollten sie nicht übersehen, dass auch sie von einer starken Wurzel genährt werden. Man sieht, Paulus will das Evangelium nicht bei den Heidenvölkern verkünden und dabei das Volk Gottes herabwürdigen, zu dem er selbst gehört.

Auf die heutige Situation bezogen sind diese Worte immer noch aktuell. Natürlich sind sie eine ernste Mahnung jeglichem Antisemitismus gegenüber, auch wenn er nur als Hochmut daherkommt. Dieser ist auch nicht am Platze, wenn Christen die Praktiken anderer Glaubensgenossen kritisieren. Woher nehmen wir die Sicherheit zu wissen, welche Zweige dem Stamm guttun und welche herauszubrechen sind? Das weiß nur der HERR allein. ER sieht auch unseren Hochmut, unsere Heuchelei und unser Werketum. Keine Frage, wo es um Irrglauben geht, da müssen wir auf die maßgebenden Worte der Bibel verweisen. Wir tun gut daran, es in einer Form zu tun, wie es Paulus beispielgebend getan hat: Fern von aller eifrigen Besserwisserei, aber mit Einfühlungsvermögen und allem Nachdruck, wenn er notwendig ist.